Politik/Parlament - Von Dr. Johann Siegl

Eine "Statusbewertung ohne Schuldzuweisung an andere"

20.9.25 - In der jüngsten Sitzung der Gemeindevertretung (18. September) hat Parlamentschef und Nauheims Erster Bürger, Dr. Johann Siegl, eine längere Ansprache an Mandatsträger und (anwesende) Bürger gerichtet.

Sein Ansinnen: Zusammenhänge erläutern und darüber aufklären.

Da die Gemeinde noch meilenweit von Livestreams solcher politischen Gremiensitzungen entfernt ist und tatsächlich nur wenige Bürger anwesend waren, veröffentlicht Nauheim-Online seine Rede im Wortlaut.

Johann Siegl hat vor einer mit ihm abgestimmten Veröffentlichung ein Vorwort hinzugefügt.

Von Dr. Johann Siegl, Gemeindevertretervorsteher

Vorwort

Nach 3 Monaten parlamentarischer Sommerpause, vieler nichtöffentlicher Gespräche und einer Pattsituation bei der Bewertung des ein Haushalts 2025 erschien es sinnvoll eine Statusbewertung zu machen.

Nauheim ist kein Einzelfall, viele umliegenden Kommunen haben gleichfalls Haushaltsprobleme. Selbst die Bundesregierung hat Ihren Haushalt 2025 erst gestern beschlossen.

Die zunehmende Aufgabenlast durch Vorgaben der Regierung sowie Restriktionen bei der Gestaltung der Gebühren sind belastend.

Das Aufzeigen der Problematik ist nicht gleichzusetzen mit einer Schuldzuweisung an Einzelne. Die Vielzahl der gesetzlichen Pflichtaufgaben in Kombination mit den moralisch verpflichteten „freiwilligen Leistungen“ ist erdrückend.

Vortrag des Vorsitzenden der Gemeindevertretung

Sehr geehrte Damen und Herren,

regelmäßig werde ich gefragt, wieso ich mich der Mühe unterziehe, um an dieser Stelle, Gesetzestexte Zusammenfassungen und Hinweise zu geben. Viele der Gemeindevertreter, ebenso wie die Zuhörer kennen meist nur einen Teil der vorangegangenen Beratungen aus eigenem Erleben.

Die Zusammenfassung dient dazu, allen eine gleiche Basis zu geben. Da jedem Hinweis eine persönliche Note unterstellt wird, limitiere ich meinen Vortrag auf Zitate, Daten, Hinweise, Gesetzestexte, Bundes- und Landesbescheide, sowie Termine.

Seit neun Monaten unterliegt Nauheim den Regeln der vorläufigen Haushaltsführung, freiwillige Leistungen sind untersagt. Die formellen Beratungen zum Haushalt 2025 wurden noch nicht begonnen. Der Tagesordnungspunkt „Haushalt“ muss immer mangels Anträgen von der Tagesordnung genommen werden.

Die meisten der umliegenden Kommunen haben und hatten ähnliche Probleme, um zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Einige der externen Einflüsse und Restriktionen deshalb im Folgenden.

In der HGO §97 Absatz (3) ist zu finden: "Die von der Gemeindevertretung beschlossene Haushaltssatzung ist spätestens einen Monat vor Beginn des neuen Haushaltsjahres der Aufsichtsbehörde vorzulegen.

Bis zur Entscheidung durch die Aufsichtsbehörde unterliegt die Haushaltsführung den vorläufigen Regeln. Details zur vorläufigen Haushaltsführung nach §99 der HGO, siehe im Leitfaden des RP.

Die angebotene Hilfe zur Haushaltsgenehmigung 2025

Die hessische Landesregierung hat am 27. März das Finanzausgleichsgesetz und das Hessenkassegesetz mit Sonderregelungen für die Haushaltserstellung 2025 der Kommunen veröffentlicht.

Mit diesen Sonderregeln wird den Kommunen für 2025 eine wesentlich erleichterte Haushaltserstellung mit unglaublich vielen Freiheiten zugestanden. Augenscheinlich ein Eingeständnis, um die Gebührendeckelungen und Belastungen aus der Vergangenheit abzufangen.

Die angestrebte Klage der Kreisverwaltung gegen die Landesregierung wegen nicht ausreichender Finanzausstattung der Kommunen wurde um ein Jahr zurückgestellt.

Die Investitionsoffensive der Bundesregierung, das sogenannte 100-Milliarden-Programm zielt darauf, die Konjunktur zu beschleunigen. Kommunen können rückwirkend zum 1.1.2025 Zuschüsse für Investitionen beantragen.

Dieser Strohhalm ist stark reglementiert. Denn bestehende Haushaltslücken abzudecken ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Auf welcher Seite des Spielfeldes liegt der Ball?

Am 24. April wurde der Haushalt 2025 der Gemeinde mit einem Defizit von 5,7 Millionen Euro eingebracht. Die Gemeindevertretung hat den Haushalt zurückgewiesen.

Diese Rückweisung hat der Bürgermeister nicht akzeptiert. Im Gesetz ist eine Rückweisung des Haushalts nicht vorgesehen. Denn bei gesetzeskonformer Erstellung liegt kein Grund vor. Denn der Kämmerer ist nach HGO §92, in den Absätzen 4, 5 und 6 verpflichtet der Gemeinde-vertretung einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen.

Der Not gehorchend wurde zwischenzeitlich eine nicht öffentlich tagende Interfraktionelle Arbeitsgruppe (iAG) Haushalt eingerichtet.

Delegierte aus den Fraktionen, dem Gemeindevorstand und der Verwaltung suchen den Haushaltsausgleich. Gemeinsam gefasste Beschlüsse können so direkt in den Haushaltsentwurf eingearbeitet werden.

Bei fehlendem Konsens wird die Gemeindevertretung zur Beschlussfassung mittels Anträgen aufgefordert. Einen Fortschrittsbericht zur iAG gab es in der HFA Sitzung am Montag (15. September).

Hier wurde die Vorgehensweise zur Priorisierung durch Farbgebung in dunkelrot, hellrot, gelb und grün vorgestellt. Auch wurde festgestellt, dass die 50 Maßnahmen auf der Projektliste weder finanziell noch mittels der Bearbeitungskapazität der Verwaltung im Jahr 2026 abgearbeitet werden können.

Um welche Projekte es sich handelt wurde nicht gesagt.

Lösungsansätze?

Herr Rehm (CDU) hat angeregt, den Haushaltsentwurf an die Realität anzupassen und Projekte in die jeweils realisierbaren Jahre einzuordnen.

Herr Müller (Grüne) hat darauf verwiesen, dass gerne und viel über die großen Investitionsvorhaben gesprochen wird. Entscheidend für die Genehmigungsfähigkeit des Haushalts sind die laufenden Ausgaben und Einnahmen im Ergebnishaushalt.

Herr Schneider (SPD) erkennt eine bessere Arbeitsweise.

Herr Petersen (FDP) ist tiefst enttäuscht.

Herr Friedrich (parteilos) will „Qualität und Nachhaltigkeit“ einbringen und sagt, es fehlt an konkreter Nacharbeit.

In der 6. Sitzung der iAG wurde vereinbart, dem Gremium eine Vorlage des Haushaltsentwurfs ohne freiwillige Leistungen vorzustellen, um die Bandbreite des möglichen auszuloten.

Die iAG Gespräche wurden für Ihre guten Ansätze allseits gelobt, leider sind die Fortschritte nicht in Zahlen messbar, siehe das Zitat oben bezüglich der fehlenden Nacharbeit.

Freiwillige Leistungen

Für viele ein schwammiger Überbegriff, denn die Freiwilligkeit ist keine absolute Größe. Ein Zuschuss von fünf bis zehn Prozent ist problemlos als freiwillig zu erklären.

Eine Aufwandsübernahme von 90 Prozent ist fragwürdig. Mehr Details hierzu, siehe das Kommunale Abgabengesetz KAG §10 ff.

Um Transparenz zu schaffen, ist eine Liste der diesjährigen außerplanmäßigen Ausgaben unumgänglich. (siehe hierzu §50 HGO, (Abs. 3) – Die Überwachungspflicht der GVE fordert dieses. Außerplanmäßige Ausgaben getrennt nach freiwilligen Leistungen nach § 99 HGO und überplanmäßigen verpflichtenden Ausgaben nach § 100 HGO aufzulisten, ist im Rahmen eines nicht genehmigten Haushaltes eine selbstverständliche Pflicht.

Rückgriff auf bestehende Anträge und Ideen

Zurückgestellte Anträge der Gemeindevertretung werden in einer separaten Liste zusammengefasst.

Für den Haushalt 2025 eingereichte Anträge sind bis zu den formalen Haushaltsberatungen zurückgestellt. Die Anzahl der zurückgestellten Anträge ist auf 39 angewachsen.

Diese Wiedervorlageliste ist auf der Ladung für die Gemeindevertreter im RIS ganz oben zu finden, ein beachtlicher Fundus.

Zusammenfassung

Allerorten und konstruktiv wird an einer Haushaltsvorlage gearbeitet. Viele Themen sind mündlich besprochen worden, es gibt einen breiten Konsens. Allein es fehlt an der schriftlichen Dokumentation, auch der Erstellung eines Zahlenwerkes.

Die Zeit drängt, die nächste Chance für eine Haushaltsdiskussion und damit Haushaltsverabschiedung ist in 42 Tagen, die letzte Chance den Haushalt 2025 in diesem Jahr zu verabschieden ist in 91 Tagen.

Die kooperative Zusammenarbeit erzeugt Optimismus.

Die nächste Wahl zur Gemeindevertretung ist in 178 Tagen, am 15. März 2026.

Ich danke für das konzentrierte Zuhören.

 

 


Veröffentlichungen nur mit Genehmigung

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